This article was presented on 9 December 2021 at Siavoushan Centre

S. Freud, Jenseits des Lustprinzips, GW XIII, 21:

«Weit stärker wirken jene Fälle auf uns, bei denen die Person etwas passiv zu erleben scheint, worauf ihr ein Einfluss nicht zusteht, während sie doch immer nur die Wiederholung desselben Schicksals erlebt. Man denke zum Beispiel an die Geschichte jener Frau, die dreimal nacheinander Männer heiratete, die nach kurzer Zeit erkrankten und von ihr zu Tode gepflegt werden mussten. …

Angesichts solcher Beobachtungen … werden wir den Mut zur Annahme finden, dass es im Seelenleben wirklich einen Wiederholungszwang gibt, der sich über das Lustprinzip hinaussetzt.» 

J. Lacan, Seminar XI, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Walter: Olten, Freiburg 1978, 60:

Tyche: «Wir übersetzten: die Begegnung mit dem Realen. Das Reale ist jenseits des Automaton, der Wiederkehr, des Wiedererscheinens, des Insistierens der Zeichen, auf die wir durch das Lustprinzip verpflichtet sind. …

Es ist also weder Grund, die Wiederholung [Tyche, CK] mit der Wiederkehr der Zeichen [Automaton, CK] zu verwechseln, noch in ihr eine Reproduktion oder Modulation zu sehen, die am Leitfaden einer Art agierten Erinnerns vonstatten ginge. Es ist die eigentliche Natur der Wiederholung, dass sie in der Analyse stets verschleiert bleibt». 

Und ibid., 66:

«Im Folgenden geht es darum, den Ort des Realen zu bestimmen, der vom Trauma zum Phantasma führt –  sofern nämlich das Phantasma immer nur einen Schirm darstellt, dessen Funktion es ist, ein absolut Erstes, in der Funktion der Wiederholung Determinierendes jedem Zugriff zu entziehen.» 

«Aus Schaden wird man klug», lautet ein deutsches Sprichwort. Es ist das, was wir alle möchten: aus schlechten Erfahrungen lernen, uns korrigieren, positive Erfahrungen machen. Auch die Verhaltenstherapie basiert im Grunde darauf: Positive Verstärkungen zu erarbeiten, die uns erlauben, was wir bisher vermieden haben, mutig anzugehen. Und dann passiert es: Wir machen in 99 von 100 Mal eine positive Erfahrung, wir bekommen z.B. die Anerkennung, die wir uns wünschen, wir halten den Vortrag, ohne dass uns der Angstschweiss von der Stirne rinnt und die Hände zittern, wir versagen in Prüfungen nicht usw. Und nur einmal auf 100 Male geht es nicht – und wir alle wissen, das was bleibt, ist dies eine Mal, das uns unbarmherzig zu bestätigen scheint: ich bin doch ein Versager, ich komme doch nicht weiter, es wird immer so bleiben… Die Macht der Wiederholung. 

In wie vielen Fällen ist es die Wiederholung, die Menschen zu uns in Behandlung führt. Sie sagen uns: Ich denke viel über mich nach, ich arbeite an mir, aber irgendwie komme ich allein nicht weiter, es sind immer wieder dieselben Gedanken und Gefühle, in denen ich mich drehe. Nicht zuletzt, weil man diese Erfahrung der Wiederholung macht, aus der man selbst nicht herauskommt, sucht man einen Therapeuten, eine Analytikerin auf. 

Dass ein Gefühl, ein Handeln, ein Denken «wieder» ist, gehört zur Alltäglichkeit aller Lebenserfahrung. 

Es ist dies eine so geläufige, wiederkehrende Erfahrung, dass es verwegen ist, das weite Feld der Wiederholung und Wiederkehr überhaupt abstecken zu wollen und tollkühn, in einer halben Stunde darüber Auskunft zu geben.

Mildernd immerhin: Ich kann dies als Psychoanalytiker tun, und die Psychoanalyse hat schon einige Arbeit darauf verwendet, aus dem, was Wiederholung sei, einen Begriff zu machen. Nicht irgendeinen Begriff, sondern, wie Lacan hervorgehoben hat, einen Grundbegriff der Psychoanalyse.  

Es ist natürlich nicht gleichgültig, welche Begriffe man als Grundbegriffe einsetzt, es hat massive Konsequenzen in Theorie und Praxis, in der Technik der therapeutischen Arbeit. Begriffe, die etwas Ursprüngliches und Einheitliches betonen, wie Selbst, Identität oder Authentizität sind im psychotherapeutischen Feld hoch im Kurs. Im psychoanalytischen Denken erweisen sie sich allerdings als nachgeordnet und zusammengesetzt. Sie alle setzen, um über eine Zeitspanne stabil sein zu können, eine Reproduktion des Gleichen voraus, d.h. sie enthalten in sich schon das Problem der Wiederholung.

Dass und wie Lacan die Wiederholung als Grundbegriff der Psychoanalyse herausgeschält hat, hat damit zu tun, dass er ihr an einem andern Ort begegnet ist als Freud: Freud musste seine Begriffe Schritt für Schritt in 40 Jahren Arbeit entwickeln, für Lacan liegen sie dann fertig, synchron vor. Aus dieser anderen Perspektive lassen sich Verbindungen und Ableitungen neu und anders begreifen. 

Freud hat die Wiederholung als klinisches Konzept verstanden. Sie ist in der analytischen Kur in zwei Feldern am Werk:  Im Feld des Sprechens und Agierens, das Freud als Ineinander von Erinnern und Wiederholen versteht, wo das Fixierte und Verdrängte wiederkehren. Und zum andern im Geschehen der Übertragung, in den vielfältigen Wiederholungen des Gelingens und Scheiterns im Lieben und allgemeiner in der Begegnung mit dem Andern. Es gibt also die Wiederkehr des sprachlichen Signifikantenmaterials, das in der Arbeit von Erinnern und Wiederholen gedeutet werden kann. Und es gibt die «Neuauflage» einer bestimmten Beziehungskonstellation in Bezug auf den Andern, die in der Kur sich wieder einstellt und bearbeitet werden kann.

Diese beiden Felder sind nicht weniger als das, was das klinische psychoanalytische Arbeiten überhaupt strukturiert, in dessen Herzen also die Wiederholung arbeitet. 

Historisch betrachtet ist Freud exakt dort auf die Wiederholung gestossen, wo die beiden Felder aneinanderstossen, wo also weder Liebe noch Sprechen sich ohne das jeweils andere denken lassen. Er musste nämlich feststellen, dass die Erinnerungsarbeit, wie sie das Sprechen in der analytischen Kur leisten sollte, (nicht nur einen komplizierten Weg durch das Material und die biografischen Zeiten hindurch geht, sondern auch) einem spezifischen Geschehen unterliegt, das für das Erinnern Chance und Hindernis zugleich ist, der Übertragung. Das regelhafte Auftreten der Übertragung – der Liebe also in all ihren auch höchst ambivalenten Formen –, die sich in die Arbeit des Erinnerns einmischt, hat ihn auf die Wiederholung gestossen:

«Wir merken bald, die Übertragung ist selbst nur ein Stück Wiederholung und die Wiederholung ist die Übertragung der vergessenen Vergangenheit…», schreibt Freud in Erinnern, Wiederholen, Durcharbeiten (1914g, GW X, 130).

Nicht ganz so explizit macht Freud, dass die Wiederholung ein Phänomen ist, das stets zwei Richtungen hat: Wiederkehr und Erneuerung. Sie lässt das Alte wiederkehren und es ist doch nicht mehr das Gleiche. Dies auf der Ebene der Liebe und des Sprechens: Jede Liebe referiert auf ein «verlorenes Objekt», das sie wiederfinden will – und im Wiederfinden schafft sie ein neues Abenteuer. Und jedes Sprechen sucht die Wiederkehr des verdrängten Kerns – und je näher es diesem kommt, desto mehr muss es sich jedes Mal neu erfinden. 

Wiederholung ist Bewegung, die identisch schliessen will und stets das Neue findet, Iteration und Irritation in eins, Besetzung und Ersetzung zugleich. 

Soweit Freud zum Ersten. Zusammengefasst ergibt sich ein einfaches Schema der Wiederholung: 2 Typen mit jeweils 2 Richtungen, die dort aufeinandertreffen, wo die Übertragung in der Kur sich aktualisiert. 

Wiederholung im Sprechen Wiederholung in der Übertragung

reproduzierend/ neugestaltend reproduzierend/ neugestaltend

Mit diesem Schema hat man das Freudsche Einmaleins der Wiederholung allerdings noch nicht ganz zusammen. Es fehlt noch das Stück, das der späte Freud mit der Einführung des Todestriebes konzipiert hat. Es ist ihm als etwas ganz anderes erschienen, und doch können wir darin, wie ich zeigen möchte, im Nachhinein auch den Kern der ganzen Sache erkennen: Der traumatische Grund nämlich jeder Wiederholung, d.h. ihre Bezogenheit auf etwas, das sich in letzter Instanz der Reproduzierbarkeit entzieht.

1920, in Jenseits des Lustprinzips, ist Freud auf eine Wiederholung gestossen, die nicht Neuauflage einer Liebeskonstellation und auch nicht Wiederholen statt Erinnern ist, sondern die ausserhalb des Lustprinzips, traumatisch eben geschieht. Das Zitat, das ich an den Anfang gestellt habe, sagt es: «dass es im Seelenleben wirklich einen Wiederholungszwang gibt, der sich über das Lustprinzip hinaussetzt». Es ist dies eine Wiederholung, die aus dem Realen kommt: im Gewand des Zufalls, des Schicksals bricht etwas in die Welt des Subjekts ein, von dem es nichts weiss und das mit ihm nichts zu tun zu haben scheint. Es ist doch, würde man meinen, einfach tragisch oder ein ganz unglücklicher Zufall, wenn dreimal kurz nach der Hochzeit die Partner todkrank werden. 

Bei diesem Typ von Wiederholung geht es nicht um die Wiederkehr eines verdrängten Signifikanten, einer verdrängten Erinnerung in mehr oder weniger entstellter Form. Sondern sie geschieht, wo es keine Verdrängung gibt, wo etwas gerade nicht in Signifikanten und Erinnerungsbildern hat gefasst werden können. 

Die letzte Wendung im Begriffsgefüge Freuds schafft somit eine neue strukturierende Unterscheidung: Nun haben wir die oben herausgeschälte Matrix der Wiederholung als die eine Seite, als die Wiederholung innerhalb des Lustgeschehens. Und demgegenüber auf der andern Seite die Wiederholung jenseits der Lustgenerierung: 

W im Sprechen/ in der Übertragung W im Realen

Innerhalb des Lustprinzips jenseits des Lustprinzips

Lacan hat es dann nochmals anders strukturiert. Ich möchte versuchen, in Freuds Werk textimmanent zu zeigen, auf welche Schwierigkeit er reagiert hat. 

Das Problem ist, dass sich der Gegensatz von Wiederholung innerhalb und jenseits des Lustprinzips sogleich wieder aufhebt: Schon in seinen ersten Arbeiten über die Psychotherapie der Hysterie (1893) hatte Freud betont, dass je näher man in der Behandlung dem verdrängten Kern, der pathogenen, affektiv bedeutsamen Erinnerung komme, nicht nur der Widerstand anwachse, sondern auch etwas anderes geschehe: Dass nämlich der ursächliche Kern gar nie ans Tageslicht gehoben werden könne, sondern sich der Erinnerung entziehe und verschleiert bleibe. Das aber ist ein Vierteljahrhundert später genau seine Erklärung des Vorgangs bei der traumatischen Wiederholung jenseits des Lustprinzips. Das Motiv eines unergründlichen, psychisch nicht eingebundenen Ursprungs ist also bei den Wiederholungen innerhalb des Lustprinzips in letzter Instanz genauso am Werk wie bei den Wiederholungen jenseits des Lustprinzips. Womit es schwierig wird, eine konsistente Unterscheidung auf diesem Gegensatz aufzubauen.

Nachträglich, wiederum, kann man erkennen, dass sich der Schlüssel für dieses Problem durchaus auch schon in Freuds Werk selbst findet. Mit dem Begriff der Urverdrängung, den er 1911 eingeführt hatte, hat er nämlich ein Konzept entworfen, das wie ein Scharnier das Geschehen diesseits und jenseits des Lustprinzips zusammenhält. Urverdrängung benennt das, was im Kern jeder Wiederholung am Werk ist. Mit Urverdrängung ist gemeint, dass jede Verdrängung – jede, die in der Analyse aufgelöst werden kann; jede, die Wiederholungsmuster im Sprechen und Handeln verursacht – dass also jede Verdrängung letztlich nur ein Epiphänomen ist, ein «Nachdrängen» dort, wo etwas immer schon verloren ist und nie festgestellt und in der Analyse eingeholt werden kann. 

Ein Beispiel ist die frühkindliche Amnesie, die nie aufgelöst werden kann. Jedes Kind wird in die Sprachwelt seiner Familie und Umgebung hineingeboren, doch kann es sich nie bis zu den Ursprüngen zurückerinnern, es gibt immer etwas, das verloren und damit urverdrängt ist. Ein anderes Beispiel sind die Körperempfindungen, die nie zur Gänze in psychologisches Erleben überführt werden können: im Ausdruck-Geben, Mitteilen und Sprechen bleibt ein realer, heterogener, unfassbarer Rest, der dem entspricht, was Freud «urverdrängt» genannt hat. 

Wenn man die Frage stellt: warum überhaupt Wiederholung? warum ist sie so allgegenwärtig?, dann, glaube ich, findet man hier, beim Konzept der Urverdrängung eine Antwort. Die Antwort könnte eine erweiterte Neuformulierung von Freuds Satz sein, dass wiederholt werden muss, was nicht erinnert werden kann. Die Neuformulierung könnte etwa so lauten: Was sich der Erinnerbarkeit überhaupt entzieht, kann sich nur als Wiederholung manifestieren. Der traumatische Kern, der nicht in Erinnerung abgespeichert werden kann, generiert die Wiederholung. Sie ist das Markenzeichen der Disjunktion zwischen dem Urverdrängten und dem psychisch Zugänglichen und sie ist zugleich auch deren einzige Verbindung. 

Interessanterweise hat der Literaturtheoretiker Paul de Man für die Sprachwissenschaft etwas Vergleichbares postuliert: Auch in der Sprache gibt es eine Disjunktion, die nur dank der Wiederholung einigermassen zusammengehalten werden kann. Die sprachliche Benennung und die Bedeutung einer Sache stehen in keinem wesensmässigen Bezug zueinander und nur die Wiederholung kann eine einigermassen stabile, nie aber abschliessende und ganz eindeutige Verbindung schaffen. 

Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, um Lacans Erneuerung ins Spiel zu bringen. 

Aus meiner kursorischen und zusammenfassenden Lektüre von Freuds Überlegungen rund um die Wiederholung kann man, vereinfachend, ein drittes Modell der Wiederholung, das die ersten beiden in sich einschliesst, entwerfen. Es ist ein Modell dreier konzentrischer Kreise: Zuinnerst das Reale, psychisch nie Fassbare. Dann im zweiten Kreis die Wiederholung, die wiederholt, was nicht erinnerbar ist – wie etwa im Falle von Freuds Dreifachwitwe – und deren Auftreten die einzig mögliche Verbindung mit dem Realen ist. Im dritten Kreis dann ist man bei der eigentlichen Verdrängung, beim Nachdrängen, d.h. bei dem Signifikantenmaterial, das in der Analyse aufgedeckt werden kann. 

In dieses Schema der drei Kreise kann ich nun Lacans Unterscheidung direkt eintragen. Lacan greift dabei auf Begriffe von Kierkegaard und Aristoteles zurück: Er benennt die Wiederholung im inneren, zweiten Kreis als «répétition» und hebt sie so von derjenigen im dritten Kreis ab, die er «retour» nennt. Ich bin nun (fast zum Schluss) beim Zitat angelangt, das ich an den Anfang gesetzt habe: Répétition und Retour sind zwei ganz unterschiedliche Vorgänge: Répétition ist die «Begegnung mit dem Realen», d.h. mit dem traumatischen, nie erinnerbaren Kern. Retour demgegenüber ist die «Wiederkehr der Zeichen», d.h. eben das Insistieren des Signifikantenmaterials. 

Den dritten Kreis des Retour bezeichnet Lacan auch als Schirm. Schirm ist dabei doppeldeutig zu hören: Es ist der Schirm als Screen, auf dem überhaupt etwas repräsentiert und damit vorstellbar werden kann, in Lacans Worten: das Phantasma. Und es ist zugleich der Schirm, der als Mauer vor dem Realen steht. 

Beide Typen der Wiederholung beziehen sich also auf das Reale und beziehen daraus ihren unabschliessbaren, immer aufs Neue insistierenden Antrieb. Aber sie tun es in klinisch ganz unterschiedlichen Manifestationen, die Lacan Tyche und Automaton nennt. 

Tyche könnte man, behelfsmässig und ohne es jetzt weiter zu vertiefen, mit Schicksalshaftigkeit übersetzen. Wenn eine junge Frau in ihrem Leben fünf schwere Unfälle erleidet, die sich immer gerade dann ereignen, wenn ein Ausbildungsabschluss oder ein anderer entscheidender Lebensschritt bevorstehen, dann ist das ein Einbrechen der Tyche, der schicksalshaften Begegnung mit dem Realen. Die Tyche manifestiert sich klinisch vor allem als Einbruch, als Unterbrechung. Sie durchbricht das Möbiusband des Diskurses, in dem sich das Phantasma entfaltet und der sich wie ein Schirm vor das Reale legt. Nicht nur im Grossen wie bei diesen Unfällen, sondern auch im Kleinen der analytischen Sitzung, wenn der Faden reisst, wenn die Stimme versagt, wenn ein Abgrund des Grauens sich auftut usw. 

Das Automaton demgegenüber könnte man, ebenso behelfsmässig, mit Automatismus übersetzen. Es manifestiert sich nicht im Unterbrechen, sondern im Insistieren innerhalb des Sprechens. Wenn ein junger Mann mehrmals einiges aufs Spiel setzt, um eine Stelle, die ihn begeistert, zu bekommen und dann, kaum hat er sie angetreten, vom Gefühl heimgesucht wird, die falsche Wahl getroffen zu haben, und «ausbrechen» möchte; wenn jemand in seinen wichtigen Beziehungen immer wieder «respektlos» behandelt wird usw., dann haben wir es mit unbewussten Identifizierungen mit Signifikanten zu tun, die im Diskurs «automatisch» wiederkehren, bis sie in der Analyse gedeutet werden können. 

Lacans Unterteilung der Wiederholung in Répétition / Tyche und Retour/ Automaton macht uns darauf aufmerksam, dass die analytische Arbeit nicht mit der Deutungsarbeit auf der Ebene des Automaton getan ist. Auch wenn das sicher in vielen Fällen hinreichend und gut genug ist. Sondern dass sie – bestenfalls – auch die andere Funktion des Schirms manifest werden lassen muss, diejenige des Abwehrschirms, der jenes absolut Erste, das die Wiederholung determiniert, dem Zugriff entzieht, wie es Lacan in dem andern Satz, den ich diesem Vortrag vorangestellt habe, sagt. Das ist viel und wenig zugleich, eigentlich ist es nicht mehr (und nicht weniger) als das Berührtwerden, das Getroffenwerden vom Wirken des Unbewussten, das uns ins Stolpern bringt und aus den Automatismen des Sprechens hinausreisst. Denn wie anders wird in der klinischen Arbeit das Automaton überhaupt deutbar, wenn nicht dadurch, dass es von irgendeinem Realen durchbrochen wird. 

Im Grunde hat auch Freud diesen Aspekt der Analyse als den Wesentlichen hervorgehoben, wenn er in seiner berühmten Formulierung dazu, was die Lehranalysen für die angehenden AnalytikerInnen leisten sollten, betont, dass diese vor allem eine «sichere Überzeugung von der Existenz des Unbewussten» bewirken müssten. 

Und Jean-Claude Milner formuliert, was in der Analyse passieren muss, folgendermassen: «Nichts hat stattgefunden, ausser, dass in jenem Nichts, das ein Vorher von einem Nachher trennt, einem Subjekt ein Reales wiederfahren ist.»

Hier müssten meine Ausführungen zur Wiederholung eigentlich zu Ende sein. 

Aber Sie haben vielleicht bemerkt, dass ich bei meiner Dekonstruktion von Freuds Einteilung der Wiederholung nur die eine Seite des ersten Schemas berücksichtigt habe: Ich habe nur über die Wiederholung im Erinnern und Sprechen geredet, nicht aber über diejenige im Feld der Liebe in der Übertragung. Stellt sich also die Frage, ob auch diese ein «jenseits des Lustprinzips» hat, d.h. sich auch letztlich auf etwas immer schon Verlorenes und nie psychisch Repräsentierbares und Fassbares bezieht? Die Antwort, aus der Perspektive Lacans, heisst: Ja. Denn Lacan hat herausgearbeitet, – und hat dies als seinen entscheidenden Beitrag zur Psychoanalyse bezeichnet –, dass die Beziehung zum Andern, die Liebesbeziehung sich wie ein Schirm um das Objekt a legt, das als letztlich uneinholbarer, realer Kern wirkt. 

In der klinischen Arbeit wird für den Analytiker, die Analytikerin einmal mehr der Aspekt des Sprechens und einmal mehr der Aspekt der Übertragung im Vordergrund stehen oder, wie Freud gesagt hätte, manchmal geht es mehr um den Verdrängungswiderstand, manchmal mehr um den Übertragungswiderstand. Diese Unterscheidung ist im Alltag sehr brauchbar. Aber es ist auch sehr nützlich, den Bezug auf das Objekt a im Auge zu haben, denn es bildet so etwas wie ein Scharnier, das die beiden Ebenen des Sprechens und der Übertragung zusammenführt. Wenn man erkennen kann, dass die Diskursbahnen des Sprechens letztlich um das Objekt a kreisen, dann kann der Analytiker aus dieser Perspektive intervenieren und mit seiner Deutung den kleinen Riss im Sprechen treffen, wo dem Subjekt etwas Reales wiederfahren kann.

Das tönt jetzt sehr abstrakt und es fehlt mir die Zeit, es weiter auszuführen. Aber ich kann doch zum Abschluss es ganz kurz an einem Beispiel veranschaulichen: Eine junge Frau hat Schwierigkeiten, mit dem Lernstoff in ihrer Ausbildung klar zu kommen, weil sie im Grunde genommen alles wissen möchte und nicht entscheiden kann, was sie als unwichtig weglassen kann. Sie sucht die perfekte Lernstrategie, um alles perfekt lernen zu können. Und dies strukturiert die Übertragung, die ganz im Anspruch aufgeht, dass der Analytiker ihr diese Strategie geben müsste. Es darf also keine Lücke, keinen Verlust geben, sie nimmt alles in sich auf und scheidet nichts aus. Der Schirm scheint undurchdringlich, bis sie eines Tages sagt: «Ich lebe gar nicht». Worauf ich sage: «Leben ist ein Verlustgeschäft». Worauf sie zu weinen beginnt und sagt: «Ich habe gemeint, wenn ich perfekt bin, verliere ich nichts, aber eigentlich gibt es mich dann gar nicht mehr und ich habe alles verloren». Da tut sich ein Spalt auf, der sie – bitter und befreiend – erkennen lässt, wie ihr Leben durch etwas immer schon Verlorenes strukturiert ist, wie sehr sie im Versuch, den Verlust zu vermeiden, immer schon verloren hat.